Gisèle Freund


Gisèle Freund wollte keine Kunstwerke schaffen und auch keine neuen Ausdrucksformen finden. Sie wollte nur sichtbar machen was ihr am Herzen lag: "Der Mensch mit seinen Freuden und Leiden, Hoffnungen und Ängsten."



Die kleine Rebellin

Gisela Sophia Freund (1908 - 2000) wurde als Tochter eines jüdischen Kaufmanns und Kunstsammlers in Berlin Schöneberg geboren.
Schon ihr Opa, war durch die Erfindung des Hosenrocks Ende des 19. Jahrhunderts zu Geld gekommen (damals begannen die Frauen gerade Fahrrad zu fahren).
Gisèle Freund war bescheiden und versuchte ein Leben lang ihre großbürgerliche Herkunft zu verbergen.
Obwohl sie behütet und tolerant Aufwuchs, begann sie schon früh zu rebellieren. Anstatt, wie ihre Eltern für sie vorgesehen hatten, die Mädchenschule zu besuchen, wechselte sie mit 16 auf eine Schule für Arbeiterkinder und machte 1928 heimlich
das Abitur. Ihr Vater schenkte ihr zum erfolgreichen Schulabschluss

und zur Versöhnung eine Leica Kleinbildkamera,
die 1925 zum ersten Mal auf der Leipziger Messe vorgestellt worden war.
Die junge Freund war begeistert. Mit dem Apparat konnte man erstmals 40 Bilder ohne Filmwechsel machen (damals hatten die Filme noch keine ins Negativ projezierte Nummern).



Die Reise nach Frankreich

Sie studierte Soziologie am Institut für Sozialforschung in Frankfurt und gehörte dort der linksliberalen Studentenbewegung an.
Um ihre Doktorarbeit (Fotografie im 19.Jahrhundert,
eine politisch soziologische Analyse) zu schreiben ging Gisèle Freund
1931 für ein Jahr an die Sarbonne (ein Teil der Pariser Universität).
Zurück in Frankfurt fotografierte sie die letzte freie Großkundgebung
am 01.Mai.1932.

Von Freunden gewarnt, konnte die politisch engagierte Jüdin, sozusagen im letzten Moment am 30.Mai.1933 mit einem Nachtzug nach Paris fliehen. Hier begann ihre Karriere als Fotografin.
Sie lernte Adrienne Monnier kennen, eine Buchhändlerin und Verlegerin. Es entstand eine lebenslange Freundschaft.
Im "Maison des Amis des Livre" gingen Schriftsteller wie
Jean Paul Sartre ein und aus. Adrienne Monnier, überzeugt vom fotografischen Talent ihrer Freundin, machte Gisèle mit den Schriftstellern bekannt.
Es entstanden, die bis heute zum Teil einzigen überlieferten Fotografien der später berühmt gewordenen Persönlichkeiten wie Virginia Woolf und James Joyce.
Da sie mit diesen Fotos nicht ihr Geld verdiente, fotografierte sie
nur wen sie auch mochte.
Die Aufnahmen entstanden ohne künstliches Licht und
in der neuentdeckten Farbfotografie.



Der Krieg

Gisèle Freund war die Frau der Geduld und studierte die Gesichter der Porträtierten. Wenn keiner damit rechnete löste sie den Fotoapparat aus. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich mit Reportagen und schrieb zunächst unter anderen Namen auch dafür die Artikel.
Den ersten Auftrag für das populäre amerikanische Life Magazin fotografierte Freund über die Elendsgebiete Nordenglands. Dazu sagte sie einmal:
"Ich wollte Soziologin werden, weil mich die Vielfalt sozialer Probleme interessierte. Ich wurde aus Notwendigkeit Fotografin."
Der zweite Weltkrieg wütete und um nicht ausgewiesen zu werden
ging die Fotografin 1936 eine Scheinehe ein, die später wieder geschieden
wurde.

Jetzt war Gisela französische Staatsbürgerin und hieß Giesèle. Vor der Besetzung von Paris floh sie mit dem Fahrrad aus der Stadt und gelangte später durch die Einladung von Victoria Ocampos nach Südamerika. Sie bereiste Lateinamerika und ihre Fotoreportagen wurden in deutschen und amerikanischen Zeit-
schriften veröffentlicht. Der Kriegsfotograf Robert Capa und Mitbegründer der legendären Agentur Magnum wurde auf sie aufmerksam und gewann Gisèle Freund als Mitglied, nachdem sie zum Kriegsende nach Frankreich zurückgekehrt war.



Skandalöse Reportage aus Argentinien

Gisèle Freund realisierte unzählige Fotoreportagen für Magnum.
Darunter auch die umstrittene über Evita Peron, die 1950
im Life Magazin erschien.

Evita Peron, die sich dem argentischen Volk als der "Engel der Armen" präsentierte entlarvte Gisèle Freund als selbstherrliche, kalte Schönheit, die sich vor ihren öffentlichen Auftritten im Spiegel begutachtete und zu ihrem Pudel persönlichere Beziehungen hegte, als zu den Menschen. Die Fotos lösten einen Skandal aus und Gisèle Freund musste wegen ihren politischen Ansichten 1954 die Agentur Magnum verlassen.
Aber die mutige Einzelgängerin ließ sich nicht unterkriegen. So sagte sie später einmal: "Am Tage wo ich nicht mehr neugierig bin, da kann man mich begraben, da ist nichts mehr los mit mir."



Die Anerkennung

Der Erfolg kam. Die deutsche Emanzipationsbewegung,

in den 1970er Jahren, entdeckte die Fotografin wieder.
Ihre Doktorarbeit fand mit dem Buch "Photographie und Gesellschaft" erneut große Anerkennung.
Sie war 1977 auf der Documenta vertreten und es gab zahlreiche Ausstellungen. Das Centre Pompidou widmete ihr ein ganze Etage.
1981 bat sie François Mitterrand höchstpersönlich ihn zu porträtieren.
Am 31.03.2000 starb die bedeutendste Fotojournalistin des letzten Jahrhunderts in ihrer Wahlheimatstadt Paris und wurde dort auch beerdigt.



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