Dr. Erich Salomon

Der Gentleman im Frack



Er war der König der Indiskreten. Stets schick gekleidet, mit gutem Benehmen und bester Allgemeinbildung schlich er sich unter die Reichen und Schönen und fotografierte, die sich unbeobachtet gefühlte Gesellschaft. Als promovierter Jurist war er auch bei Gericht zu Hause. Dort machte er heimlich Fotos von den spektakulären Prozessen. Salomon überraschte, mit für die Zeit revolutionären Momentaufnahmen, die gesamte Republik.



Sorgenlose Kinderjahre

Erich Salomon (1886 - 1944) kam als viertes von fünf Kindern im

April in Berlin zur Welt. Sein Vater war ein angesehener jüdischer Bankinvestor. Salomons Kindheit war sorgenfrei.
Die Sommer verbrachte er im mit der Familie in ihrem Ferienhaus in Teltow. Er sammelte Schmetterlinge und verdiente sich etwas Taschengeld bei einem Tischler dazu.
Nach dem Gymnasium studierte Salomon Maschinenbau. Allerdings brach er sein Ingenieurstudium ab, nachdem ein Mitstudent bei einem Praktikum in der Eisenbahnfabrik tödlich verunglückte. Auf Wunsch seiner Mutter studierte der junge Mann dann Jura - zunächst in München und später in Berlin. Dort machte er auch seinen Doktor.
Die Familie wurde von Schicksalsschlägen heimgeholt.
Erichs beiden älteren Schwestern starben nacheinander (1905 und 1906) an Knochentuberkulose.
Sein Vater, Emil Salomon, erlitt (1909), während einer öffentlichen
Rede vor der Handelskammer, einen Herzstillstand.



Kurzes Glück und langes Leiden

Am 14.03.1912 heiratet Erich Salomon Maggy Schüler, eine Cousine 2.Grades aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Rotterdam. Schon ein Jahr später, am 31.07.1913 kam ihr Sohn Otto Erich zur Welt, der seinen Vater ein Leben lang verehrte.
Allerdings war es nicht nur ein Jahr des Glücks in der Familie Salomon. Walther, der ältere Bruder Erichs, ein ausgebildeter Kunstmaler beging Selbstmord. 1914 brach der erste Weltkrieg aus. Erich Salomon wurde einberufen und geriet schon im September, schwer verwundet, in französische Kriegsgefangen- schaft .

Aus Kummer jetzt auch noch ihren zweiten Sohn verloren zu haben, nahm sich seine Mutter das Leben.
Der feinfühlsame Erich erlitt in der Gefangenenschaft einen Nervenzusammenbruch und wurde im Austausch mit anderen Kriegsgefangenen (1917/1918) in die Schweiz entgelassen.
Dort traf Salomon dann wieder seine Frau und den fast schon fünf Jahre alten Sohn Otto. Nach einem Jahr in der Schweiz kehrten sie (1920) zurück nach Berlin und ihr zweiter Sohn Dirk wurde geboren.
Nun versuchte Salomon Geld zu verdienen. Zunächst versuchte er es als Makler an der Berliner Börse, dann wurde er Teilhaber einer Klavier- fabrik, die allerdings Konkurs machte.



Es waren schwere Zeiten und Inflation

Erich verkaufte das elterliche Sommerhaus in Teltow.
Von dem Geld gründete er ein Taxiunternehmen. Es bestand aus zwei
batteriebetriebene Autos die 40 km/h fuhren und einem

Motorrad mit Beiwagen, das er selber fuhr.

Hierfür machte er Werbung in der Vossischen Zeitung: "Dr. der Jurisprudenz, gibt Ihnen während der Beförderung Instruktionen zur Währungsumstellung von der deutschen Mark zur Rentenmark."
Durch diese Kleinanzeigen wurde der Ullstein Verlag auf Salomon aufmerksam. Die Zeitschrift Uhu hatte entlang der Bahnstrecke Reklameschilder aufgestellt, gegen die Grundbesitzer klagten. Salomon wurde bei der Werbeabteilung des Verlags angestellt (1925), um die Fälle zu bearbeiten.
Er kaufte sich einen Fotoapparat um die Angelegenheiten dokumentieren zu können.
Seine erste Fotokamera war eine Nettel, ein Großformatapparat, der zu der Zeit von den Pressefotografen verwendet wurde.
Nebenbei veröffentlichte er, seine ersten Bilder in der Berlinischen
Illustrierten.

Erich Salomon kaufte sich eine Ermanox, der erste Fotoapparat, der Bilder ohne Blitz ermöglichte und später dann die legendäre Leica.



Jetzt begann seine kurze Karriere als Fotojournalist

In der Zeit zwischen 1928 - 1933 wurden von keinem Fotografen so viele Pressebilder veröffentlicht, wie von ihm.
Tagsüber fotografierte er und nachts entwickelte er die Filme und Bilder des Tages. Meistens gönnte er sich nicht mehr als vier Stunden Schlaf.
"Redaktionsschluss ist der schlimmste Klang in meinem Gehör", soll er einmal gesagt haben.
Weltmännisch gekleidet, mit einer symphatischen Portion Dreistigkeit
verschaffte er sich zielstrebig Zutritt zu den gehobenen
und von der allgemeinen Öffentlichkeit ausgeschlossenen Kreisen.

Dort machte er seine berühmten Fotos mit der Candid Camera (1929 gab ihm ein Redakteur der London Weekly Graphic, diesen Titel):
Die unvoreingenommene - nicht gestellte - Kamera. "Monsieur Salomon, le roi des Indiscrets" nannte ihn der französische Premierminister Astride Briand auf der Haager Konferenz, 1930 in Den Haag, als es Salomon einmal wieder gelungen war, sich heimlich den Politkern zu nähern, um heimlich Fotos zu machen.



Revolutionär in Sachen Fotografie

In den Gerichtsälen, erst in Deutschland, dann auch in London und später sogar in Amerika, gelangen ihm mit seiner ausgeklügelte Technik (z.B. präparierte Kameras, bei denen man das
Klacken des Verschlusses beim Fotografieren nicht hören konnte)
und seiner Cleverness, er versteckte die Kameras unter
einem Hut oder der Aktentasche, sensationelle Aufnahmen.

Wurde er doch einmal erwischt, gab sich der Fotograf souverän
und übergab resigniert eine (noch unbelichtete Fotoplatte) oder diskutierte mit dem vorsitzenden Richter über die Wichtigkeit seines Vorhabens.

Salomons höfliches Benehmen öffnete ihm alle Türen.
Seine fotojournalistischen Erfahrungen veröffentlichte er in diversen Zeitschriften, wie der "Koralle". Allerdings beantwortete er, eigensinnig wie er war, keinerlei Leserbriefe.
Schon immer technisch interessiert, benutzte er Tricks und Kniffe um an unposierte Bilder zu kommen. So fotografierte er schon damals, quasi um die Ecke, mit einem 90° Winkelsucher. Er experimentierte mit Farbfotografie und stand allem Neuen offen gegenüber.



Große Anerkennung auch in Amerika

Erich Salomon war "der" Fotojournalist Anfang der 30er Jahre. Zu seinem 41. Geburtstag 1931 lud er über 400 prominente Gäste in das Hotel Kaiserhof in Berlin. Dort gab Salomon eine Diavorführung, die er selber spitzfindig betitelte: "Mit Frack und Linse, durch Politik und Gesellschaft!"
Er machte mehrere Seereisen nach Amerika, und wurde dort gefeiert als einer der besten Reportagefotografen überhaupt. Zur damaligen Zeit konnten sich, genauso wie heute wieder, nur Fotografen mit einem finanziellen Polster eigenwilligen Fotoreportagen leisten.


Wieder kam die Zeit des Leidens und noch Schlimmer…

1933 hielt sich Erich Salomon mit seiner Familie in Holland bei den
Schwiegereltern auf, als die Nationalsozialisten am 30.01.1933 die
Macht in Deutschland übernahmen.

Mit sicherem Instinkt für die politische Lage, kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück.
In Deutschland war er auf einmal verfolgt und verlor über Nacht Ruhm und Ehre. Er stand auf der Liste der Juden, Auswanderer und politisch Verfolgten!
Es kam, was kommen musste...
Erich Salomon war nach dem Einzug der Deutschen in Holland nicht mehr sicher. Er wurde verraten und mit seiner Frau und dem jüngeren Sohn Dirk deportiert.
Erich Salomon wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Seine Frau und sein Sohn Dirk, wahrscheinlich schon kurz davor.
Otto Salomon, sein älterer Sohn, überlebte im Exil in London und nannte sich ab sofort "Peter Hunter",
nach dem Spitznamen seines Vaters "the picture hunter".
Ihm sind, die ausführlichen biografischen Überlieferungen von seinen
geliebten Papa zu Verdanken.



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